„Die Auswirkungen der Abhängigkeitserkrankung auf Dritte“ (Anja Heesch)
Fortbildungswochenende Lützensömmern vom 16.-18. August 2024
Da die Auswirkungen von Suchterkrankungen auf das Umfeld und die Angehörigen im Mittelpunkt des Weiterbildungswochenendes stehen sollten, verlief die Vorstellung der Teilnehmer und Teilnehmerinnen sowie der Referentin am Freitagabend etwas anders als gewohnt. Es sollten Gruppen gebildet werden, wer suchtkrank oder Angehöriger ist, wer beruflich mit Sucht zu tun hat, oder im Sozialen Bereich arbeitet. Die Häufigkeit der Zusammenhänge war verblüffend. Bei der Frage: Wer hat in seiner näheren Verwandtschaft (Großeltern, Eltern, Kinder, Enkel, Onkel, Tanten) suchtkranke oder –gefährdete Angehörige, fühlten sich alle TeilnehemerInnen angesprochen. Auf diese Weise wurde deutlich, dass Sucht eine Familienkrankheit ist, und nebenbei lernten wir uns auf eine besondere Art kennen.
Am Samstag stiegen wir im Dialog mit der Referentin in das Thema ein und beschäftigten uns mit den Auswirkungen der Abhängigkeitserkrankung und deren comorbiden Erkrankungen auf die Angehörigen. Die Belastungen der Angehörigen führen zu einem ganz eigenen Hilfebedarf. Ungünstige, suchtaufrechterhaltende Verhaltensweisen der Angehörigen wurden ebenso zum Thema gemacht, ohne sie mit der Bezeichnung „Co-Abhängigkeit“ zu stigmatisieren, da sie völlig menschlich sind, sondern zu schauen, was ist hilfreich und was weniger.
Fragen nach den Hilfsangeboten für Angehörige Suchtkranker, deren Sichtbarkeit und Wirksamkeit wurden ausführlich behandelt. Für Suchtkranke gibt es eine Vielzahl von wirksamen Hilfsangeboten, da Suchtkrankheit eine Diagnose ist. Auf Angehörige trifft das nicht zu. An dieser Stelle ist sicher politischer Handlungsbedarf. Trotzdem wurde festgestellt, dass sich auch die Hilfesituation für Angehörige in den letzten Jahren verbessert hat. Viele Beratungsstellen bieten inzwischen Hilfe an. Das Lotsennetzwerk Thüringen hat spezielle Angebote, bei dem Angehörige hilfesuchende Angehörige betreuen. Einen großen Beitrag leistet die Selbsthilfe über Elternkreise, reine Angehörigengruppen und in den letzten Jahren immer mehr durch die Integration von Angehörigen in die klassischen Selbsthilfegruppen für Suchtkranke. Der Austausch in den gemischten, offenen Gruppen ist äußerst wertvoll und trägt zum gegenseitigen Verständnis bei, auch und besonders in der Zeit nach dem Ausstieg des Suchtkranken aus dem Konsum.
Bemängelt wurde unter anderem, dass die Angebote häufig zu wenig bekannt und nicht flächendeckend sind und längst nicht ausreichen, da bei den Angehörigen Folgeerkrankungen auftreten, die häufig nicht im Fokus der Hilfe stehen, bzw. gar nicht erkannt werden.
Am Ende des Seminars wurde die Methode der „Inversion“ als eine Methode der kollegialen Fallberatung vorgestellt. Um ihre Wirksamkeit auch in der Suchtselbsthilfe zu demonstrieren wurde sie an Fallbeispielen eingeübt. Die systemischen Unterlagen hierzu bekamen die Teilnehmer und Teilnehmerinnen als Handreichung.
Die Hilfelandschaft und die Angebote für Angehörige suchtkranker Menschen haben sich den letzten Jahren stark verbessert, allerdings ist bei der Betrachtung der oft katastrophalen Auswirkung der Suchterkrankung auf das Leben und die Gesundheit der Angehörigen noch ein großer Handlungsbedarf auf allen Ebenen, bis hin zur Würdigung ihrer Leistung
Wolfgang Kuhlmann
Betreuer und Teilnehmer